Mit Sehnsucht auf Gott vertrauen

Bischof Wiesemann: In Verantwortung vor der Schöpfung muss der Mensch seinen Blickwinkel ändern / Tag der Schöpfung in Nagold

10.9.2012

Ökumenische Begegnung am Freitag auf der Landesgartenschau in Nagold (von links): der griechisch-orthodoxe Erzpriester Dr. Georgios Basioudis aus Mannheim, der katholische Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann aus Speyer, der evangelische Dekan Ralf Albrecht aus Nagold, Nagolds Bürgermeister Hagen Breitling, der evangelische Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Braunschweig), Oberkirchenrat Professor Dr. Ulrich Heckel (Stuttgart), Geschäftsführer Dr. Albrecht Haizmann (ACK Baden-Württemberg) und Geschäftsführerin Dr. Elisabeth Dieckmann (ACK Deutschland).

Nagold (k-w). Mut zur Sehnsucht haben, ohne dem Neuen ständig hinterher hetzen zu müssen, und sich vom Schöpfer und Erlöser leiten lassen: Vor dieser Herausforderung steht nach Ansicht des katholischen Bischofs Dr. Karl-Heinz Wiesemann aus Speyer der moderne Mensch in seiner Verantwortung für die Welt. »Nur wer seinen Blickwinkel ändert, weg von der Unheilssituation hin zum Antlitz des rettenden Gottes, kann die Gegenwart in ihrem neuen Licht wahrnehmen«, sagte der Festprediger angesichts des bundesweiten Ökumenischen Tags der Schöpfung am Freitag auf der Landesgartenschau. Diese Glaubenserfahrung habe auch schon das Volk Israel machen müssen.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland habe die Veranstaltung bewusst unter das provozierende Leitwort »Jetzt wächst Neues« aus dem Buch des Propheten Jesaja gestellt, das keine Kompromisse zulasse. Das Neue entstehe weder durch menschliches noch politisches oder religiöses Machwerk, so Wiesemann vor Hunderten von Gläubigen im ökumenischen Gottesdienst, sondern »es wächst, weil Gott es wachsen lässt.« Damit greife er konkret in die Kreisläufe der Welt ein, um seiner Schöpfung neuen Sinn zu geben.

Mitten in seinem Versagen und seinen Zwängen sehne sich der Mensch nach dem Bild der nicht ausgeplünderten Schöpfung, nach der Würde von Mensch und Tier. Doch diese Sehnsucht werde überschattet von der Gleichgültigkeit jener Egoisten, die nachfolgenden Generationen Lasten aufbürden. Die Folgen seien Resignation oder naiver Fortschrittsglaube. Durch Wissenschaft und Technik könne eben nicht alles gerichtet werden. Der Mensch müsse sich ändern. »Wir brauchen die Vision des wirkmächtigen Gottes, da der Mensch aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, grundlegend Neues wachsen zu lassen«, betonte der Bischof. Er tue sich schwer mit Umdenken.

Neue Methoden der Energiegewinnung, Schutz der Regenwälder, nachhaltigere Umweltpolitik und erneuerte Wirtschaftsordnung seien dringend geboten. Der Glaube daran, dass Gott konkret in den Lauf der Welt eingreife, gebe dem Menschen eine neue Perspektive, weil er ihn aus dem »Wahn des unbegrenzten Wachstums« reißt. Das Neue bestehe nicht aus der Mehrung des Alten, sondern sei von ganz anderer Qualität.

Für Wiesemann ist der Christ die Stimme der leidenden und entrechteten Kreatur. Hier liege die gemeinsame Berufung jenseits aller konfessionellen Grenzen. Also sei die Respektierung der Unterschiede, die man schützen und lieben sollte, wichtiger als der Ruf nach Einheit. Der »Ökumene-Baum«, hatte der griechisch-orthodoxe Erzpriester Dr. Georgios Basioudis aus Mannheim bei der Eröffnungsfeier betont, wachse täglich, begleitet von Hoffnungsschimmern. Viele Menschen wagten den Neuanfang in ihrem Leben, im Umgang mit der Umwelt sowie sozialen, kulturellen und religiösen Konflikten in der Gesellschaft. Doch immer schon habe der Mensch mit Gott gerungen, vor allem, weil dieser fordere, nach vorne und nicht zurück zu schauen. Gott erlebe man in den kleinen Dingen, sagte der Festredner. Der Mensch müsse den »Geschenkcharakter des Lebens« erkennen.

Als Erinnerung an den Ökumenischen Tag der Schöpfung trugen Kinder Weidenherzen während des Festgottesdienstes zum Altar. Sie waren in der Wachsenden Kirche geschnitten worden. Diese grüne Gotteshaus aus 24 Lindenbäumen und lebenden Weiden soll über die Landesgartenschau hinaus als Zeichen der Ökumene erhalten bleiben. Ein abwechslungsreiches Programm für Groß und Klein begleitete den Tag der Schöpfung.

INFO: Ein Kurz-Film-Beitrag unter: www.kirchenfernsehen.de dokumentiert die Predigt von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann. Sie wird auch in »Una Sancta – Zeitschrift für ökumenische Begegnung« veröffentlicht. Die Festpredigt von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und die Festrede von Dr. Georgios Basioudis finden Sie in Originallänge ab 7. September 2012, 13.00 Uhr, im Pressebereich der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland auf: www.oekumene-ack.de.

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