Drei Fragen an: Dr. Karl-Heinz Wiesemann

Der Bischof zum Tag der Schöpfung auf der Landesgartenschau / Beten und Handeln gehören für Christen untrennbar zusammen

3.9.2012

Dr. Karl-Heinz Wiesemann hält die Festpredigt beim Tag der Schöpfung auf der Landesgartenschau 2012 in Nagold am Freitag, 7. September, um 17 Uhr.

Nagold (ack-oec). Im Umgang mit der Schöpfung braucht es nach Ansicht von Dr. Karl-Heinz Wiesemann eine tiefgreifende Umkehr im Denken und Handeln. Der Bischof von Speyer ist am Freitag, 7. September, im ökumenischen Gottesdienst ab 17 Uhr auf der Hauptbühne im Riedbrunnen Festprediger des bundesweiten Tags der Schöpfung auf der Landesgartenschau 2012 in Nagold. Er wird von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) veranstaltet. Die Wachsenden Kirche auf dem Gartenschau-Gelände ist nicht nur ein Symbol der Ökumene, sondern steht auch für die Bewahrung der Schöpfung.

Frage: Das Thema "Schöpfung" war bisher stark im Zusammenhang mit der Ökologie- und Umweltbewegung diskutiert worden. Welchen zusätzlichen Aspekt können die Kirchen in diese Diskussion einbringen?

Dr. Wiesemann: Mir ist der Aspekt einer »Ökologie des Menschen« wichtig, der, wie Papst Benedikt XVI. bei seiner Rede im Deutschen Bundestag im September 2011 zu Recht betont hat, bislang in der Diskussion um Umwelt und Schöpfung zu wenig beachtet wird. Wörtlich sagte der Papst: »Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann.« Der Mensch darf also nicht nur beim Umgang mit Tieren und Ressourcen nicht alles tun, was er tun will und tun kann. Auch beim Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen sind dem Menschen Grenzen gesetzt, die in seiner Natur als Geschöpf angelegt sind, vor allem am Beginn und am Ende des Lebens. Dass diese Grenzen immer mehr verschoben werden, zeigen zum Beispiel die aktuellen Diskussionen über die Zulassung von Tests zur Früherkennung genetisch bedingter Krankheiten oder über die Sterbehilfe.

Frage: Der ökumenische Gottesdienst in Nagold steht unter dem Motto »Jetzt wächst Neues«. Wo sehen Sie in Gesellschaft und Kirche Ansätze für einen neuen Umgang mit der Schöpfung?

Dr. Wiesemann: Vor allem sehe ich, dass inzwischen, angestoßen durch die atomare Katastrophe in Fukushima und den globalen Klimawandel, kaum mehr jemand in Frage stellt, dass wir an einem Scheideweg stehen und dass es eine tiefgreifende Umkehr im Denken und Handeln im Umgang mit der Schöpfung braucht. Und es sind Ansätze sichtbar, dass »Neues wächst«, wenn ich etwa an manche Maßnahmen im Bereich Energieversorgung und -einsparung denke; auch wenn ich mir von Politik und Wirtschaft manchmal noch entschiedener als bislang die Entwicklung nachhaltiger, globaler und gerechter Perspektiven und deren konkrete Umsetzung wünsche. Die Kirche begleitet diesen Prozess kritisch-konstruktiv, zum Beispiel indem sie in einer neu erschienenen Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel »Der Schöpfung verpflichtet« ethische Kriterien für eine nachhaltige Energiepolitik gibt. Darüber hinaus ist sie aber auch selbst in diesem Bereich aktiv, wobei ich nicht ohne einen gewissen Stolz erwähnen möchte, dass die Kirchen mit über 500 Einrichtungen die größte Organisation in Deutschland bilden, die ein nach EU-Richtlinien zertifiziertes Umweltmanagement betreiben.

Frage: Auch die Pfarreien und Gemeinden sind eingeladen, den ökumenischen Tag der Schöpfung zu feiern. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Thema Schöpfung in der Pfarrei oder der Gemeinde aufzugreifen?

Dr. Wiesemann: Ich möchte alle Pfarreien und Gemeinden dazu aufrufen, den ökumenischen Schöpfungstag in zweifacher Weise zu begehen: liturgisch und praktisch. Denn Beten und Handeln gehören für uns Christen wie zwei Seiten einer Medaille untrennbar zusammen. Im Gottesdienst zum Schöpfungstag lassen wir unsere eingefahrenen und begrenzten Sichtweisen aufbrechen, indem wir uns zu Gott als dem Schöpfer der Welt bekennen und uns zugleich unserer eigenen Geschöpflichkeit sowie unserer Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe bewusst werden. Und durch unser konkretes Engagement für die Bewahrung der Schöpfung zeigen wir, dass wir den Schöpfungsauftrag Gottes ernst nehmen und annehmen. Es soll und darf eben nicht bei moralischen Appellen in der Predigt bleiben, sondern es braucht kleine, aber wirksame Schritte vor Ort, die dem Ganzen dienen, zum Beispiel durch den Verkauf fair gehandelter beziehungsweise regionaler Produkte am Pfarrfest.

INFO: Eine Gruppen-Ermäßigung (13 Euro) erhalten Teilnehmer des Tags der Schöpfung bei Vorlage der Einladungskarte (erhältlich bei der ACK in Deutschland unter Telefon 069/2470270, und der ACK in Baden-Württemberg, Telefon 0711/243114) an der Landesgartenschau-Kasse. Ein Kurz-Film-Beitrag unter www.kirchenfernsehen.de dokumentiert nach dem 7. September die Predigt von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann. Sie wird auch in »Una Sancta – Zeitschrift für ökumenische Begegnung« veröffentlicht. Nähere Informationen unter: www.schoepfungstag.info.

ZUR PERSON: Dr. Karl-Heinz Wiesemann ist der 96. Bischof von Speyer. Er stammt aus dem Erzbistum Paderborn, wo er 1960 in Herford (Ostwestfalen) geboren wurde. Die Priesterweihe empfing er am 10. Oktober 1985 in Rom. Nach der Kaplanszeit und der Promotion wirkte er als Pfarrer in Menden-Bösperde und als Propst der Pfarrei St. Petrus und Andreas in Brilon. 2002 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof. Danach war er in seiner Heimatdiözese als Bischofsvikar für Priesterfortbildung und Berufungspastoral sowie für die Bereiche Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur zuständig. 2007 ernannte Papst Benedikt XVI. Wiesemann zum Nachfolger von Bischof Dr. Anton Schlembach. In der Deutschen Bischofskonferenz ist Bischof Wiesemann Vorsitzender der Jugend-Kommission sowie Mitglied der Ökumene-Kommission.

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